INTERESSANTES / FÜR KOLLEGEN

Editorial Rot&Weiss 5-2016

ZUR KASSE GEBETEN

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

mit Definitionen ist das so eine Sache. Auch wenn sie noch so präzise sind, gibt es immer Spielraum für Deutungen. In Gesetzen sollten Definitionen also besser eindeutig, gut argumentiert und vor allem klar nachvollziehbar sein. Das gelingt, sagen wir so, manchmal besser und manchmal nicht unbedingt. Jedenfalls ist es bei Definitionen aber so: Am Ende gibt es immer jemanden, der definiert, also festlegt. Und wer definiert, ist klar im Vorteil.

Die Verordnung zur Medizinprodukteabgabe ist ein Fall von sehr originellen Definitionen und Herleitungen. Es gibt diese Bundesabgabe zwar theoretisch bereits seit fünf Jahren, und Zahntechniker zählten von Anfang an zu den Abgabepflichtigen. Aber erst seit heuer werden zahntechnische Labore nicht mehr umhin kommen, die Medizinprodukteabgabe zu leisten. Ab sofort gibt es Sanktionsmöglichkeiten. Sie reichen von Exekutionsverfahren bis hin zu saftigen Verwaltungsstrafen (siehe Bericht Seite 8).

Wir Zahntechniker müssen also zahlen. 300,– € werden für die Produktklasse fällig, in die unsere Arbeiten fallen. Interessanterweise überweisen wir das Geld aber nur für festsitzenden Zahnersatz. Warum das so ist? Kurz gesagt: Weil festsitzender Zahnersatz Zahnärzte zu Letztverbrauchern macht. Verwirrend? Also: Zahlungspflichtig sind ausschließlich jene, die Medizinprodukte gegen Bezahlung an Letztverbraucher abgeben. Jetzt wäre es naheliegend anzunehmen, dass das die Patienten, also die Konsumenten zahnmedizinischer Produkte sind. Daraus würde wiederum resultieren, dass Zahntechniker nicht zu jenen Berufsgruppen gehören, die abgabepflichtig sind. Aber so einfach ist das Ganze natürlich nicht.

Denn festsitzende Arbeiten wie Kronen und Brücken gelten in der Verordnung als sogenannte Heilbehelfe. Und wer im Rahmen einer Heilbehandlung mit Heilbehelfen arbeitet – nun, der ist eben Letztverbraucher. Darum sind Zahnärzte, die festsitzenden Zahnersatz bei Patienten einpassen, nach dieser Definition Letztverbraucher, nicht aber die Patienten. Aber es geht noch eine Spur komplizierter: Damit auch wirklich alle etwas davon haben, ist es nämlich nicht so, dass Zahnärzte nicht auch abgabepflichtig wären und Patienten keine Letztverbraucher sein können. Bei herausnehmbarem Zahnersatz zahlen nämlich die Zahnärzte, während die Patienten ihn letztverbrauchen. Einen definitorischen Dreh, wie es auch Patienten noch abgabepflichtig machen könnte, hat das Bundesamt für Sicherheit und Gesundheitswesen (BASG), das die Abgabe kassiert, offenbar noch nicht gefunden.

Ja, Marktaufsicht und Qualitätskontrolle kosten Geld. Niemand stellt infrage, dass es gerade im Bereich Medizinprodukte wichtig ist, genau zu prüfen, was am Markt sein darf und was nicht. Aber die Medizinprodukteabgabe hat einen fahlen Beigeschmack – nach Geldbeschaffungsmaßnahme.

Das Wirtschaftsmagazin Format führte die Medizinprodukteabgabe übrigens in einer Liste der „sinnlosesten Steuern des Landes“. Das sagt viel aus. Leider wird es uns nicht ersparen, in Zukunft jedes Jahr 300,– € an das BASG zu überweisen.

Wenn die Verordnung etwas Positives hat, dann ist es die eindeutige Definition unserer Arbeiten als Medizinprodukte. Sie nimmt der in der Zahnärztekammer weitverbreiteten Ansicht, wir wären Zulieferer oder gar zahnärztliche Hilfskräfte, die Argumentation. Immerhin etwas.

Euer
Richard Koffu